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Seite erstellt: 13.04.2015

Letzte Änderung: 07.01.2019

 

 

Nach der Bundeswehrzeit bei einer Radareinheit bewarb ich mich bei der Bundeszollverwaltung und kam nach den abgeschlossenen Lehrgängen zum Grenzaufsichtsdienst in die Ausbildungsdienststelle Bad Harzburg-Taternbruch, wo ich untergebracht war und von einer Kochfrau versorgt wurde.
Wir wurden von den Stammbeamten in das Grenzgebiet eingewiesen und sie erzählten uns die alten Schauergeschichten aus der Nachkriegszeit, als Grenzschleuser Menschen, die sich ihnen anvertraut hatten, beraubten und ermordeten. Angeblich würde man die Schreie der Toten bei bestimmten Mondverhältnissen noch hören, u.s.w.


Nach einiger Zeit kam ich dann zu meiner Stammdienststelle in Bad Harzburg-Eckertal, wo wir in der Blankenburger Straße auch eine Dienstwohnung beziehen konnten.

 


Ich bekam den schwarzen Schäferhund "Rauk" zuteilt und wurde Hundeführer.

 

In dieser Zeit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurden die Sperranlagen durch die DDR-Grenztruppen immer weiter ausgebaut.
Durch den Grenzübersichtspunkt in Eckertal hatten
wir an der Grenze viele Besucher, die meine Dienstverrichtung mit Hund und Fahrrad bei schönem Wetter bewunderten und auch im Winter bei glitzerndem Schnee staunten, wenn ich mit Skiern und Hund daher kam. "Und dafür noch bezahlt werden!", war einer von vielen netten Sprüchen.


Die Grenztouristen sahen aber nicht den Dienst in den nassen und kalten regnerischen Nächten, sie hörten nicht die Detonationen der Selbstschussanlagen, die uns in der Nacht mit dem Gedanken -"bitte lass es kein Mensch gewesen sein"- aus dem Schlaf rissen, sie hörten nicht das Schreien der verletzten Tiere, die am Metallgitterzaun verendeten, sie hörten nicht die Alarmanlagen des Hinterlandzaunes. Die Unmenschlichkeit dieser Grenze war ständig zugegen, ebenso das uns gegenüber abweisende und verachtende Verhalten der DDR-Grenzsoldaten.
 



Ein kleiner Anflug von menschlicher Freundlichkeit

Manchmal konnte man sie aber doch erleben - die freundliche Regung eines Grenztruppenangehörigen.
So wie an dem Tag, als ich auf dem Internationalen Weg in Richtung der Preußische Wanne einen vor dem Metallgitterzaun am unmittelbaren Grenzverlauf befindlichen Grenzaufklärer "begleitete", der sich für ein kleines Päuschen auf einen Stein setzte.
Dieser Stein war dummerweise aber bereits durch eine Kröte besetzt.

Die Kröte überlebte leider nicht und der rückwärtige Teil der Hose des Grenzaufklärers sah fast ebenso mitgenommen aus.
Trotzdem (oder gerade deswegen) lächelte er zu mir herüber und ich grüßte zurück. So gingen wir weiter unseres Weges.
 



Unerlaubter Grenzübertritt eines Zollangehörigen

Ein Tag, an dem sich ein unerlaubter Grenzübertritt eines Zollangehörigen von West nach Ost ereignete, ist in meinen Erinnerungen auch noch fest eingebrannt.
In den frühen Morgenstunden postierte ich im Dienstfahrzeug mit meinem Diensthund an dem Grenzfluss der Ecker unterhalb der Eckertalsperre.
In diesem Grenzbereich
befanden sich die DDR-Sperranlagen aufgrund der Geländebeschaffenheit entlang der Ecker erst in einigen Hundert Meter Tiefe auf DDR-Gebiet und waren von unserer Seite nicht einsehbar. Also ein relativ ruhiger Grenzabschnitt ohne erwähnenswerte Vorkommnisse.


Plötzlich tauchte eine Herde Muffelwild auf und wechselte von West nach Ost auf das Gebiet der DDR.

Der Hund sah die Braten und alles Rufen half nichts mehr. Mit angelegtem Zollschild lief er in den Arbeiter- und Bauernstaat.
Nach einiger Zeit kam er doch mit hängender Zunge und eingekniffenem Schweif wieder zu seinem Herrchen zurück.
Ich hatte meinen Rauk schon in der Propagandasendung des DDR-Fernsehen "Der Schwarze Kanal" mit Schmuddel-Ede (Eduard von Schnitzler) gesehen, unter dem Motto "Jetzt flüchten schon die Zollhunde in unser Arbeiter- und Bauernparadies!"
 



Maßband

Bei dem ersten Nachtdienst nach meiner Hochzeit stand ich auf dem Besucherpodest Eckertal und zeigte stolz den Ehering zu den diensttuenden Grenzsoldaten auf dem Beobachtungsturm Stapelburg empor, als plötzlich der große Turmscheinwerfer anging und mein Hund, ich sowie der Ring im strahlenden Licht standen.

 

Die Aussichtsplattform Eckertal mit Blick nach Stapelburg Der Beobachtungsturm BT11 vor Stapelburg

 

Dann ging ein Klappfenster im Turm auf und es wurde ein Stück eines Maßbandes rausgehängt.
Ich bin mir nicht sicher, ob es die Resttage des noch zu verrichtenden Dienstes waren oder die Tage des Soldaten bis zu seiner Hochzeit, die er mir mit dem Maßband anzeigen wollte.

 


 

 

1980 ließ ich mich an die Westgrenze nach Aachen versetzen und habe bis zu meinem Ruhestand noch eine sehr schöne, abwechslungsreiche und spannende Dienstzeit erlebt.

 

aufgeschrieben von Burkhard Brenk im April 2015

 


 

Ergänzender Hinweis:

Burkhard Brenk hat seine Filmaufnahmen, die er bzw. seine Gattin Beate in den Jahren 1975 bis 1980 in dem Grenzabschnitt zwischen der Straße Lochtum-Abbenrode/DDR und Eckertal-Stapelburg/DDR gemacht hat, über den WDR digitalisieren lassen und auf deren digit-Plattform archiviert.

Die zwei Filme können über folgende Links aufgerufen werden:

Film 1 http://digit.wdr.de/entries/71455?index=0&q=eyJ7Yn0iOiJFY2tlcnRhbCJ9&qt=search (Länge 3:43)

Film 2 http://digit.wdr.de/entries/71456?index=1&q=eyJ7Yn0iOiJFY2tlcnRhbCJ9&qt=search (Länge 3:53)