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Seite erstellt: 04.01.2015

Letzte Änderung: 07.01.2019

 

 

Die deutsch-/deutsche Geschichte des Landwirts Hans Krienitz

 

 

 

Hans Krienitz
ehem. Landwirt in Wennerode, Hofstelle 15, von 1964 – 1994

Zur Erinnerung an 30 Jahre Wennerode

Umsiedlung von Ost nach West
Nach der sogenannten „Bodenreform“ in der damaligen „Sowjetischen Besatzungszone“, wo alle Landwirtschaftsbetriebe über 100 ha enteignet wurden, waren meine Eltern auf einmal mit ihren 78 ha die sogenannten „Großbauern“ in unserem Heimatdorf Wallwitz, OT. Dachritz im Saalkreis nördlich von Halle/Saale.
Systematisch wurden die Großbauern wirtschaftlich in den Ruin getrieben. Das Abgabensoll lag pro ha 3x so hoch wie der der Neubauern.
Die Zuteilung von Dünger und anderen Betriebsmitteln war viel kleiner, dafür aber die Steuern und Abgaben enorm hoch.
Das Ziel der damaligen Regierung war klar, Schaffung von sozialistischen Großbetrieben! Die Neubauern wurden zu billigen Arbeitskräften, die Altbauern wurden gezwungen, in die L.P.G. einzutreten.
Nach vielen Verhören, Androhungen und Diskriminierungen verließen meine Eltern im Frühjahr 1951 Haus, Hof, Heimat und Freunde, um einer Verhaftung zu entgehen.
Ich hatte nach einem halben Jahr Militärzeit Glück im Unglück und wurde im Herbst 1945 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft als „Invalide“ entlassen (ich war 17 Jahre alt).
Meine landwirtschaftliche Ausbildung machte ich auf einigen Betrieben im Kreis Wolfenbüttel und Goslar.
Dort lernte ich auch meine spätere Frau kennen, die aus unserer alten Heimat stammte.
Ein guter Freund vermittelte mir eine Pachtung in Haverlah bei Salzgitter. Dort wären wir gerne geblieben, aber der Hof sollte verkauft werden. Da ein Kauf für uns unmöglich war, mussten wir uns um etwas anderes bemühen.
Nach langer Ungewissheit bekamen wir die Zusage, den Aussiedlungshof Nr. 15 in Vienenburg/Wennerode übernehmen zu können. Hof und Ackerland lagen am weitesten ostwärts im sogenannten „Wenneroder Zipfel!“
Die Entscheidung, dort unsere persönliche und wirtschaftliche Zukunft zu gestalten, war nicht einfach, aber doch richtig. Anfang Oktober 1964 konnten wir in den neuen 34 ha großen Hof einziehen.
Es war Aufbruchstimmung. Viele aktive Bauernfamilien schufen sich ein neues „Zu Hause“.
Die wirtschaftliche Entwicklung ging weiter. Ackerland zu pachten, war unmöglich. Also Aufstockung des Viehbestandes. Wir hatten Bullenmast und Hühnerhaltung. Die Scheune wurde zum Bullenstall, so dass ich 70 Stück halten konnte. Rübenblatt und Stroh kaufte ich in den Nachbardörfern dazu.
 

Strohrollen wehen von West nach Ost
Das Stroh wurde mit einer Rundballenpresse geborgen und im Freien gelagert. Und diese Lagerung führte zu einem "Grenzzwischenfall West-Ost".
Im Winter 1982/83 gab es einen starken Sturm, der die 60 Rollen, die an einem Feldweg lagen ostwärts über den Acker verteilte.
13 Rollen landeten in dem Grenzgraben zur DDR. Da gab es Aufregung bei Zoll und BGS, mit denen wir immer guten Kontakt pflegten. Schließlich sollten wir in Ruhe unserer Arbeit nachgehen, und haben uns exakt an die eingetretene Grenzziehung gehalten.
Ich habe dann einen Vorschlag gemacht, wie die 13 Rollen zu bergen waren. Vom BGS wurde uns zugesagt, dass eine Vereinbarung mit der Ostseite erfolgen sollte. Wir wurden nur gebeten, Ruhe zu bewahren.
Nach ca. 3 Wochen bekam ich Nachricht, dass mir für den 12. Januar 1983 in der Zeit von 10 bis 13 Uhr gestattet wurde, mit maximal 2 „zivilen“ Personen und jeweils einem Schlepper und einem Anhänger das Gebiet der DDR in maximal 10 m Tiefe zur Bergung der Strohrollen zu betreten.
Also: zivile Kleidung, kein Parka der Bundeswehr, 3 Gummiwagen kurz vor der Grenze abstellen, mit jeweils einem Wagen die Grenze passieren, um die Rollen zu bergen.
Erfreulich war in unserem Sinne, dass es kein großes Aufgebot der Medien gab. So war nach gut einer Stunde die „Aktion Strohballen“ abgeschlossen.

Sehr gefreut habe ich mich über die Bilder, die mir Wilhelm Fulst bei seiner Geburtstagsfeier übergab.
Diese Bilder hat Wilhelm von einem guten Bekannten erhalten, der beim BGS war und gebürtig aus Lochtum stammen soll.
[Anm.: die Bilder stammen von Lothar Engler und sind am Ende dieses Beitrages mit eingefügt].
 

Rückkehr in die alte Heimat
Nun noch zwei Sätze, wie es mit Familie Krienitz nach der für uns alle so erfreulichen Wiedervereinigung weiter ging:
Unser Sohn Sven hatte seine Lehre abgeschlossen und war gerade in der Landwirtschaftlichen Fachschule.
Das war ein persönlicher Glücksfall, um in der alten Heimat wieder einen Betrieb aufzubauen.
Nach schwierigen Verhandlungen gelang es mir, den 90 ha großen Hof in Burgsdorf (nordwestlich von Halle/Saale) aus der staatlichen Verwaltung in den Privatbesitz wieder zurück zu führen.
Zur Gründung eines Ackerbetriebes pachteten wir vorerst 200 ha dazu. Wennerode wurde verkauft, um den Anfang zu finanzieren.
In nunmehr 23 Jahren hat mein Sohn strebsam weiter entwickelt, was wir zusammen aufbauten!
Meine Frau starb leider schon vor 16 Jahren; ich lebe hier recht zufrieden und dankbar für die positive Entwicklung!


Hans Krienitz – ehem. Wennerode / jetzt Burgsdorf im Mansfelder Land // a
ufgezeichnet im Dezember 2014

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